Was für ein Tag! Ich kann es kaum glauben, dass ich ihn überlebt habe. Aber ich greife vor.

Einige von euch hatten es vielleicht mitbekommen. Die Buchmesse in Leipzig sollte dieses Jahr für mich ausfallen. Doch dann kam mal wieder alles anders, als gedacht. Kurzfristig ergab sich ein Termin, den ich wirklich gerne wahrnehmen wollte. Also buchte ich Zugtickets und entschied wenigstens einen Messetag mitzunehmen. Eigentlich ein ganz simpler Plan. Insgesamt acht Stunden im Zug sollten es werden. Diese wollte ich gerne nutzen, um mich wieder in den Stoff von »This New World« einzulesen, schließlich fehlt hier noch ein zweiter Teil. Soweit, so gut.
Mein Wecker klingelte pünktlich um 5:15 Uhr am Morgen. Die erste Hürde, die Frisur, war glücklicherweise schnell genommen. Ich stieg am Bremer Bahnhof gegen 8:00 Uhr in den Zug und freute mich tierisch, dass es nun nach Leipzig gehen sollte.

Um 10:00 Uhr beschuldigte mich meine Sitznachbarin, ich hätte ihr Geld aus dem Portmonee geklaut. Darauf folgte eine sehr peinliche Unterhaltung, die den Rest des Abteils vermutlich sehr belustigte. Ich glaube nicht, dass ich es erwähnen muss – natürlich hatte ich ihr Geld nicht gestohlen. Dennoch blieb sie davon überzeugt und setzte sich empört um.

Naiv, wie ich nun mal bin, dachte ich in diesem Moment, dass der Tag nicht schlimmer werden könnte, und hakte es als kleine Unwegsamkeit ab.

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Vor den Fenstern des Zuges wurde die Landschaft derweil immer winterlicher. Schnee, wo das Auge auch hinblickte. In Leipzig angekommen half nicht einmal ein doppelt um den Kopf gewickelter Schal. Der reinste Schneesturm. Er hat mich sozusagen kalt erwischt. Die Messe betrat ich patschnass. Die Frisur war dahin und selbst der Inhalt meiner Tasche hatte dem Schneetreiben nicht ankommen können. Aber was soll’s. Immerhin war ich nun endlich da.

 

Den Termin konnte ich pünktlich wahrnehmen und war somit wieder guter Dinge. Die Messe-Atmosphäre zog mich in ihren Bann und ich durchwanderte die Hallen auf der Suche nach lieben Menschen.
Ich traf mich mit Steffi, was ein absolutes Highlight für mich war. Wir sehen uns tatsächlich nur auf den Messen, und da Leipzig eigentlich für mich hatte ausfallen sollen, haben wir uns beide sehr gefreut. Anschließend fand ich die liebe Lotta und wir tauschen uns über die vergangenen Monate aus. Lotta hat nämlich mal in meiner Stadt gewohnt und nun, da sie weg ist, sind auch für uns die Messen die einzige Möglichkeit sich zu sehen. Anschließend gönnte ich mir noch einen Crêpes mit Zimt und Zucker und machte mich wieder auf den Weg. Ein letztes Treffen vor der Abreise stand nämlich noch an.

Sissi und ich genossen einen Kaffee bei Starbucks und waren so glücklich, dass wir uns noch ein paar Minuten sehen konnten. Für sie würde die Messe am nächsten Tag erst richtig losgehen und sie war schon ganz gespannt. Vor lauter Wiedersehensfreude verpasste ich sogar fast meinen Zug. Aber nur fast.

Um 18:37 Uhr saß sich auf meinem reservierten Platz, ein leckeres Baguette zur Verpflegung und mein Buch in der Hand. Knapp eine Stunde später hielt der Zug einfach an und wollte nicht mehr weiterfahren. Es stellte sich heraus, dass es wohl einen Übergangsunfall gegeben hatte. Der gesamte Streckenabschnitt war gesperrt. Also fuhr der Zug zurück nach Halle, wo ein Richtungswechsel eingeleitet werden sollte. Man sagte uns, dies würde 5-10 Minuten dauern und wir könnten uns ruhig ein wenig die Beine auf dem Gleis vertreten. Ich tat dies auch, allerdings nur kurz. Irgendwie traute ich dem Braten nicht. Und tatsächlich. Als der Zug wieder anfuhr, standen zwei arme Fahrgäste noch auf dem Steig und wurden gnadenlos zurückgelassen. Dummerweise war ihr Gepäck noch im Zug. Diese Tatsache und die bereits einstündige Verspätung empfand ich bereits als ziemlich unglücklich, doch es sollte noch verrückter werden.

Nachdem wir einen Umweg genommen hatten, um die Streckensperrung zu umgehen, gingen die Türen plötzlich nicht mehr auf. Die Fahrgäste, wissend, dass dieser Zugführer ja auch gerne einmal losfährt, ohne auf seine Passagiere zu achten, gerieten regelrecht in Panik. Sprechanlagen wurden betätigt, es wurde gegen Türen gehämmert. Kurz darauf stellte sich heraus, dass die Zugtüren eingefroren waren. Die Mitarbeiter der Deutschen Bahn versuchten von außen manuell an das Problem heranzugehen, doch sie hatten keine Chance. Das Ende vom Lied war, dass sämtliche Fahrgäste durch die eine (noch funktionierende) Tür aussteigen und in einen regionalen Zug wechseln mussten. Natürlich brauchte dieser sehr viel länger für den Rest der Strecke und so wuchs die Verspätung stetig an. In Hannover fand ich mich auf einem kalten, dunklen Bahnhof wieder und musste eine weitere Stunde totschlagen, bis der letzte Anschlusszug schließlich fuhr. Dummerweise war Freitag und so war dieser Zug voller Menschen, die ein wenig zu tief ins Glas geschaut hatten. Mit Mühe und Not schaffte ich noch ein paar Kapitel im Buch, ohne mich von Gebrüll, Beinahe-Prügeleien und sich erbrechen den Partygängern ablenken zu lassen. In Bremen fuhr dann natürlich keine Straßenbahn mehr, weshalb ich in einem Taxi landete. Im Bett war ich um halb fünf Uhr morgens.

Wer vor einigen Jahren meinen eintägigen Ausflug zur Leipziger Buchmesse verfolgt hat, für den ist dieses Szenario nichts Neues. Auch ich musste an diesen Tag im März denken, an welchem ich ebenfalls erst um drei Uhr morgens zu Hause war. Irgendwie klappt das mit der Deutschen Bahn nicht so gut. Oder vielleicht bin auch ich der gemeinsame Nenner? In jedem Fall war es ein ziemlich aufregender Tag, der mir lange im Gedächtnis bleiben wird.
Aber bereue ich nun den Ausflug? Nein. Natürlich nicht. Im Rahmen meiner Möglichkeiten habe ich es tatsächlich geschafft, noch ein paar Stunden Messeluft zu genießen und ich habe mich trotz der verrückten Umstände sehr darüber gefreut. Eines ist jedoch klar: in Frankfurt, da wird alles anders. Ich denke, dort werde ich wieder etwas mehr Spielraum einplanen.