Die Einzelkämpferin

 

Die Bremerin Laura Newman ist auf dem besten Weg, von ihren eigenen Büchern zu leben. Sie hat sie auf eigene Faust veröffentlicht, ohne Verlag. Ihre Trilogie „Nachtsonne“ verbreitet sich über die und in den sozialen Netzwerken rasant.

VON SILKE HELLWIG

Es gibt Vermutlich nicht allzu viele Autoren, die haargenau wissen, Minute für Minute, wie viele Bücher sie verkaufen. Laura Newman weiß es: Sie klappt ihr Netbook auf, ruft im Internet eine Seite auf und sieht im gezackten Verlauf den Verkauf ihrer Bücher der vergangenen Tage. Die Bremerin, 31 Jahre alt und gelernte Mediengestalterin, zählt zu den Selfpublishern. Damit ist sie quasi ihr eigener Miniaturverlag — sie macht außer dem Inhalt auch alles andere selbst; vom Cover über den Klappentext bis zur Vermarktung.

Laura Newmanschreibt Unterhaltungsliteratur, Science-Fiction-Jugendbücher.
Ihre ersten beiden Romane — „Time Travel Inc.“ — beschäftigen sich mit Zeitreisen. Von Verlagen bekam sie keine Rückmeldung und „Time Travel Inc.“ so zunächst kein Publikum. Etwa ein Jahr später habe sie von der Möglichkeit erfahren, ihr Buch selbst zu publizieren, und die ersten beiden Bände veröffentlicht. Bei der „Nachtsonne“ -Trilogie schlug siesofort diesen Weg ein. „Ich bin viel zu sehr Kontrollfreak, als dass ich mir wünschte, unbedingt einen Verlag zu finden“, sagt sie. „So bleiben auch alle Rechte bei mir.“

„Nachtsonne“ ist eine Dystopie — ein Buch, das in einer düsteren Zukunft spielt. Ein Genre, das im Trend liegt, das spielt für die Autorin eine Rolle. Man könnte sagen, sie weiß, was ihre Leser wollen. Der Kontakt ist unmittelbar. „Ich kenne viele von ihnen durch unseren Austausch. Ich bekomme jeden Tag Nachrichten und Reaktionen.“ Denn mit „Nachtsonne“ macht Newman im Internet Furore. Mehr als 4200 Exemplare als E-Book und in der Printausgabe hat die Bremerin in diesem Jahr verkauft — aus eigener Kraft. Durch die regelmäßige Erwähnung in Blogs und Vlogs geht sie davon aus, dass die Bücher noch weitere Kreise ziehen werden.

Im weltweiten Netz hat sich in den vergangenen Jahren ein eigener Kosmos der Literaturrezeption entwickelt, initiiert und betrieben von Konsumenten. Vor allem junge Menschen veröffentlichen in Blogs, was sie lesen und was sie von ihrer Lektüre halten. Auch in Form von Videos wird auf Youtube Literatur gezeigt oder über sie gesprochen. Sogenannte Booktuber verbreiten sich über Bücher — und verbreiten sie damit. Selfpublisher sind auf diese Art von Werbung angewiesen, ihre Bücher sind in Buchhandlungen nicht zu finden und meist auch nicht zu bestellen.

Anfang 2014 erschien der erste „Nachtsonne“ -Band. Laura Newman bot ihn Bloggern und Booktubern zum Lesen an, innerhalb von zwei Monaten hatte sich das Buch nach dem Schneeball-System so verbreitet, dass es in dieser Szene bekannt war. „Ich musste niemanden mehr ansprechen, Blogger traten an mich heran und baten um Rezensionsexemplare.“ Die Schwierigkeit sei, sagt die Bremerin, auch an Leser außerhalb des Internets heranzukommen. Gegen Selfpublisher gebe es Vorurteile, und die könne sie gut nachvollziehen. „Es gibt da auch schon viel Schrott.“
Die Preispolitik begünstige Ressentiments — selbst publizierte sind deutlich günstiger als andere Bücher. Bei der Werbung in eigener Sache kommt Laura Newman ihr Beruf als Mediengestalterin zugute. „Ich bin ein Kreativitätsjunkie.“ Die Cover ihrer Bücher heben sich von anderen Selfpublisher-Titeln ab. Für das Internet hat sie einen Werbetrailer produziert. Es gibt einen Fanshop mit T-Shirts mit „Nachtsonne“ -Aufdruck und ähnlichem mehr. Sie hat eine Studenten-Werbeaktion ersonnen, die hilft, ihre Werbeflyer in deutschen Unis zu verbreiten. Das Wort „selbst“ sei bei Selfpublishern jedoch auch buchstäblich zu nehmen.
„Ich ackere wie blöd”, sagt Laura Newman. „Mein Arbeitstag hat oft zwölf Stunden.“ Ihre Stelle als Mediengestalterin hat sie im Sommer aufgegeben, um sich ganz ihren kreativen Tätigkeiten zu widmen. Sie verkauft nicht nur Bücher, sondern auch Handarbeiten im Internet. „Ich habe zehn Jahre lang in einem Beruf gearbeitet, von dem ich dachte, dass er unheimlich kreativ sei. Aber so war es nicht, und ich war unglaublich unglücklich.“ Der Schritt habe sie Mut gekostet, „ich habe einen goldenen Stuhl gegen einen Papp-Stuhl getauscht, aber ich arbeite nicht mehr für die Träume von anderen“. Das, was sie heute mache, mache sie mit ganzem Herzen.
Laura Newman bezeichnet sich als „Internet-Mädchen“, das wie mit einer Nabelschnur mit Kunden und Lesern; über die sozialen Netzwerke verbunden sei. Entsprechend macht sie sich die Netz-Gemeinschaft zunutze. Die Umschlaggestaltung ihres nächsten Romans („Coherent“) wurde im Internet mit einem „Cover Countdown“ enthüllt. Die Leser können kommentieren und kritisieren. „Das ist ein ehrliches Feedback, das ich da bekomme, und zwar von den Leuten, für die ich das alles überhaupt mache.“ Kritik nehme sie sich zu Herzen, aus Anregungen zu ihren ersten Büchern habe sie gelernt.
Der ganz große Durchbruch — die Übersetzung ihrer Bücher in 14 Sprachen und der Verkauf der Filmrechte – werde ihr über das Internet nicht gelingen, da macht sich Laura Newman nichts vor. „Ich bin darauf nicht versessen, es geht mir ja nicht in erster Linie darum, viel Geld zu verdienen, sondern selbstbestimmt zu arbeiten.” Aber 2015 soll der erste „Nachtsonne ” – Band in englischer Sprache erscheinen.

 

(Quelle: WESER-KURIER)